Borneo

Gunung Mulu Nationalpark: Dschungelwanderung zu den Pinnacles

24. Juli 2015
Die Pinnacles: Kalkfelsen im Regenwald.

Indiana Jones Feeling auf Borneo! Wer Lust auf Höhlenexpeditionen, Dschungel-Trekking und Abenteuer hat, der ist im Gunung Mulu Nationalpark genau richtig. Exotische Pflanzen, seltene Tierarten, herausfordernde Wanderroute und Naturschauspiel gibt es hier in Hülle und Fülle – und das ganz ohne Massentourismus!

In Teil 1 meines Gunung Mulu Reiseberichtes nahm ich euch mit auf eine Expedition durch eines der größten, teilweise noch unerforschten Höhlensysteme der Welt. Wir trafen auf riesige Insekten, besuchten traditionelle Regenwalddörfer und beobachteten Fledermäuse bei der Jagd. Doch das absolute Highlight des Gunung Mulu Nationalparks lag noch vor uns: Die Pinnacles.

Unser Ziel: Die Kalkspitzen-Formation "The Pinnacles" im Regenwald von Sabah.

Unser Ziel: Die Kalkspitzen-Formation „The Pinnacles“ im Regenwald von Sabah.

Die Pinnacles im Gunung Mulu Nationalpark

Die Pinnacles sind das Aushängeschild Borneos: Eine schroffe Kalksteinfelsenformation inmitten des saftig grünen Regenwaldes. Und genau diese Kalksteinspitzen wollte ich mir aus nächste Nähe ansehen. Doch bereits beim Buchen der Tour wurde ich von den Veranstaltern vorgewarnt: Die Wanderung zu den Pinnacles ist kein Spaziergang und erfordert Fitness und Ehrgeiz. Zudem spielen die hohe Luftfeuchtigkeit, Temperaturen über 30 Grad Celsius und den häufige Regen gegen einen. Laut Veranstalter schaffen es nur etwas mehr als die Hälfte aller Reisenden auch letztlich bis zum Gipfel. Bei Abbruch der Gipfelbesteigung, auch aufgrund von schlechten Wetterbedingungen, wird selbstverständlich KEIN Geld zurückgezahlt. Na das sind doch tolle Aussichten!

Tag 2: Aufbruch in den Dschungel – Projekt Pinnacles beginnt!

Nach zwei wundervollen Tagen im Gunung Mulu Nationalpark, gespickt mit fantastischen Höhlenexkursionen und Regenwaldwanderungen (hier geht’s zum Reisebericht Teil 1), begeben wir uns vom Clear Water Cave mit dem Langboot auf den zweiten Teil unserer Abenteuertour durch den Nationalpark. Wir fahren Stromaufwärts nach Long Litut, vorbei an meterhohen Bäumen, die an eine Szene aus Jurrassic Park erinnern. Die Fahrt ist für eine Stunde angesetzt, doch dann zeigt uns der Regenwald, was in ihm steckt.

Kaum 10 Minuten auf dem Fluss unterwegs, prasselt eine Regenwalddusche der Extraklasse auf uns hinab. Die riesigen Regentropfen durchnässen uns binnen Sekunden. Verzweifelt versuchen wir unser Gepäck vor dem Platzregen zu schützen. Doch nach und nach läuft unser Boot mit Wasser voll und der starke Wind macht es uns unmöglich, weiter Stromaufwärts zu fahren. „Der Motor ist zu schwach, da muss Mannkraft ran!“ ruft uns der Guide durch den rauschenden Regen zu. Wir springen zu fünft aus dem Boot in den Fluss, das Wasser steht mir bis zur Brust. Und Einsatz aller verfügbaren Kräfte treiben wir unser Boot voran oder heben es über seichte Stellen. Immer wieder müssen wir anhalten, um Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Mein Rucksack liegt komplett durchgeweicht im Wasser, da ist bestimmt nichts trocken geblieben.

Erst als wir Long Litut erreichen, stoppt auch der Platzregen. Die erste Etappe wäre geschafft, der Fluss überwunden und die erste große Regendusche überstanden. Leider haben wir nach der ungeplant anstrengenden Flussüberquerung keine Zeit für eine Verschnaufpause, denn eine dreistündige Wanderung durch den Regenwald bis zum Basis Camp am Gunung Api steht vor uns. Dieses müssen wir noch vor Sonnenuntergang erreichen. Also satteln wir unsere Rucksäcke, die sich mit Wasser vollgesaugt haben und nun doppelt so schwer sind. Die Träger und Gurte reiben auf meiner aufgequollenen Haut. Doch es hat auch niemand behauptet, dass eine Regenwald-Expedition ein Kinderspiel wird…

Indiana Jones Feeling: Durchnässt und Schweiß gebadet durch den Dschungel.

Indiana Jones Feeling: Durchnässt und Schweiß gebadet durch den Dschungel.

Ich bin das Lebend-Buffet für Blutegel…

Es ist mir ein Rätsel, wie sich unser Führer im Regenwald zu Recht findet, doch er führt uns zielsicher durch die saftig grüne Vegetation. Wir überqueren klapprig alte Hängebrücken und klettern über umgefallene Bäume. Es ist warm und schwül, meine Kleidung ist durchgenässt und klebt an meinem Körper. Immer wieder halten wir an, weil unser Guide uns verschiedene exotische Insekten, Vögel und Tiere zeigt. Während einer kurzen Rast ziehe ich meine Schuhe aus, denn ich glaube mir durch das feucht warme Klima und den Kampfmarsch Blasen gelaufen zu haben. Doch was ich an meinen Füßen auffinde sind keine Blasen, sondern Blutegel!

Gleich mehrere schwarze Würmer haben es sich auf meinen Füßen gemütlich gemacht und saugen mir das Blut aus dem Körper. Ich weiß nicht ob ich schreien, wild an mir rumzupfen oder einfach in Ohnmacht fallen soll. Ich bin etwas hilflos, denn woher soll ich schon wissen, wie man mit Blutegeln umgeht? Das sind immerhin meine ersten! Der Guide ist da offensichtlich bewanderter, denn mit einer gekonnten Bewegung entfernt er die Blutegel von meiner Haut. Die kleinen Wunden bluten unentwegt weiter, denn Blutegel geben beim Saugen ein Sekret ab, welches eine Blutgerinnung verhindert. So werden meine Blutegelwunden noch viele Stunden weiter bluten.

Die restliche Wanderung achte ich fast schon peinlich paranoid darauf, keine Pflanzen zu streifen, um weitere ungewollte Blutegel aufzusammeln. Nach knapp 3 Stunden und 9 Kilometern Dschungelwanderung erreichen wir schließlich Camp 5, unser Zuhause für die nächsten 2 Nächte.

Dschungelübernachtung mit Urwald-Orchester

Das Camp 5 ist Ausgangspunkt für die Wanderung auf den Gunung Api, welcher den besten Blick auf die imposante Felsformation Pinncales bietet. Hier verweilen alle Trekker, die die anstrengende Wanderung auf sich nehmen wollen. Als wir das Camp 5 erreichen, sind etwa 15 andere Wandersleute vor Ort. Dafür aber umso mehr Wespen. Der Schweiß der Menschen hat unzählig viele Insekten angezogen, sie haben sich auf den getragenen Kleidungsstücken und Schuhen der Wanderer niedergelassen und bilden einen Teppich aus Schwarz und Gelb. Sofort werden wir instruiert im nahe gelegenen Fluss baden zu gehen, um den Schweiß von unserer Haut zu waschen und potentiellen Wespenstichen vorzubeugen. Das Wasser ist eiskalt, doch nach dem langen, anstrengenden Tag eine willkommene Abwechslung. Auch meine Blutegelwunden verschließen sich langsam wieder.

Camp 5: Übernachtungsplatz mitten im Regenwald von Borneo.

Camp 5: Übernachtungsplatz mitten im Regenwald von Borneo.

Camp 5 besteht letztlich lediglich aus ein paar Bänken und Tischen, einem schlichten Toilettenhaus, einer kleinen offenen Küche und einfachen Liegeflächen im Freien für die Nacht. Die Liegeflächen werden durch Säulen und ein Holzdach vor Regen geschützt. Wir rollen unsere Leinenschlafsäcke aus und platzieren unser Moskitonetz darüber – das könnte interessant werden! Gemeinsam mit unserem Guide bereiten wir ein einfaches aber schmackhaftes Abendessen vor, bestehend aus Reis und Gemüse. Während wir essen erklärt er uns die bevorstehende Wanderung auf den Gunung Api und gibt uns Sicherheitsinstruktionen. Jeder Wanderer muss 4 Liter Wasser bei sich tragen auf der Wanderung. Jeder kann jederzeit aussteigen. Zudem müssen wir eine Wegmarkierung bis spätestens 11:00 Uhr morgens erreicht haben, um die Wanderung fortsetzen zu dürfen. Sollte dies nicht der Fall sein, werden wir umdrehen müssen, um eine Rückkehr in Camp 4 bei Helligkeit sicherzustellen. Toll, nicht nur die Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen arbeiten gegen uns, sondern auch die Zeit!

Die Nacht bin ich unruhig und kann kaum schlafen, so aufgeregt bin ich aufgrund der bevorstehenden Wanderung. Während ich wach unter meinem Moskitonetz liege, vernehme ich die fremdartigen nächtlichen Geräusche des Regenwaldes. Eine einzigartige Geräuschkulisse unter freien Himmel – wie auch sollte ich da ans Schlafen denken?

Tag 3: Aufstieg zu den Pinnalces

Unser Tag beginnt zeitig. Noch vor Sonnenaufgang werden wir von unserem Guide geweckt. Nach einem schnellen, einfachen Frühstück beginnen wir mit Kopflampen bewaffnet in einer Gruppe aus 4 Personen plus Guide den Aufstieg auf den Gunung Api. Der Weg ist steinig und matschig, wir müssen uns konzentrieren bei Dunkelheit keine falschen Bewegungen zu machen. Bereits nach 20 Minuten steigt die erste Teilnehmerin aus Anstrengung aus und kehrt zum Camp zurück. Wir kämpfen uns weiter durch den Dschungel bergauf.

Es gilt 1.2000 Höhenkilometer in lediglich 2,4 Kilometern zu bezwingen. Die Wanderung dorthin ist jedoch sehr steil, verläuft teilweise sogar fast vertikal. Man kann also nicht wirklich von Wandern sprechen, sondern eher von Klettern und Krieche. Ich muss meine Hände einsetzen, um nicht rückwärts abzurutschen. Ich greife nach Wurzeln, Steinen und Bäumen, um mich den steilen Hang hinauf zu kämpfen. Es wäre kein Schaden gewesen, vorab etwas Hanteltraining betrieben zu haben. Unsere anstrengende Wanderung wird durch ein Dschungelkonzert aus singenden Vögeln und schreienden Affen begleitet.

Steil steiler, Aufstieg zu den Pinnacles...

Steil steiler, Aufstieg zu den Pinnacles…

Klettern ohne Sicherung: Die letzten Meter zum Gunung Api

Die ersten 2 Kilometer führen uns steil bergauf durch den Dschungel, vorbei an seltenen exotischen Pflanzen, Steinformationen und allerhand Tieren. Die letzten 400 Meter der Wanderung bis zum Gipfel des Gunung Api haben es in sich. Wir wandern nicht mehr, wir klettern! Ohne Sicherung und unter zu Hilfenahme der klapprigen, aneinander gebundenen Leitern und Stahlseile kraxeln wir die schroffen Felsen hinauf. Ein falscher Schritt hätte schwere Folgen, und so nehmen wir uns ausreichend Zeit die letzte Etappe behutsam zu bezwingen. Meine Bewegungen sind mechanisch, ich habe meinen Kopf ausgeschaltet und konzentriere mich auf den Aufstieg. Meine Arme werden immer schwächer, doch das Ziel ist nicht mehr weit. Ich ziehe mich all meiner noch verfügbaren Kraft die schroffen Felsen hinauf, meine Höhenangst und der Blick hinunter machen mir zu schaffen. Es mangelt an allen erdenklichen Sicherungsstandards, ohne die eine derartige Besteigung in Europa nicht möglich wäre. Wir tragen keine Helme oder richtige Bergsteigerschuhe, auch keine Handschuhe. Kein Klettergurt oder Sicherungsseil schützen uns. Doch hier auf Borneo herrschen eben andere Gesetze. Die letzten 400 Meter kosten uns 1,5 Stunden, bis wir endlich den Gipfel des Gunung Api nach einer kräftezehrenden Wanderung erreichen.

Atemberaubender Anblick: Die Pinnacles

Der erste Blick auf die Kalkstein-Formation ist atemberaubend und einzigartig. Bis zu 50 Meter hohe und spitze Kalksteinfelsspitzen ragen aus dem Regenwald. Die Szene wirkt surreal. Wie kann eine solche Felsformation inmitten eines Regenwaldes entstehen und bei dem subtropischen Klima erhalten bleiben? Erschöpft stopfe ich mein Sandwich in mich rein und speichere diesen einmaligen Anblick für immer in meinem Gedächtnis ab. Der Aufwand und jeder Tropfen Schweiß haben sich gelohnt, ich bin hier!

Die Pinnacles: Das Highlight des Gunung Mulu Nationalparks.

Die Pinnacles: Das Highlight des Gunung Mulu Nationalparks.

Bald schon begeben wir uns auf den Rückweg. Dieser erweist sich sogar als anstrengender, denn der steile Abstieg belastet Knie und Schienbein. Es ist steil, feucht und rutschig, immer wieder rutschen meine Füße unter meinen Körper weg und ich lande auf dem Po. Ein Mitwanderer aus Italien wird unachtsam, rutscht beim Klettern ab und schlägt mit der Stirn gegen die Felswand. Eine 1,5 cm große Platzwunde schmückt nun seinen Kopf, das Blut fließt unerlässlich durch den Schweiß auf seiner Haut. Nach weiteren 4 Stunden Wanderung erreichen wir wieder das Camp 5 und springen samt Kleidung in den Fluss. Nach der Wanderung essen wir zusammen mit unserem Guide zu Abend, bevor ich mich in meinen Schlafsack begebe und auf der Stelle einschlafe. In dieser Nacht bin ich zu schwach, um mich auf das Urwald-Orchester einzulassen.

Tag 4: Auf Wiedersehen Regenwald

Den Morgen verbringen wir mit einem gemütlichen Start und profanen Frühstück in Camp 5, bevor wir wieder unsere Rucksäcke aufschnallen. Erneut begeben wir uns auf die lange, eindrucksvolle Wanderung durch den Regenwald nach Long Litut. Unsere Langboote sind noch da, als wir den Ableger erreichen. Und dieses Mal spielt auch das Wetter mit! Mehrere Stunden fahren wir über den vom Regenwald gesäumten Fluss, vorbei an all den Dörfern und Höhlensystemen, die wir in den letzten 4 Tagen besucht haben. Der Abschied vom Gunung Mulu Nationalpark und unseren Guide fällt schwer, als wir das Besucherzentrum des Nationalparks erreichen. Nun müssen wir zurück in den klapprigen Propellerflieger steigen, denn unser nächstes Ziel auf unserer Borneo-Rundreise heißt: Sipadan Islands!

Die Pinnacles waren ein ganz besonderes, wenn auch kräftezehrendes Highlight meiner Borneo Reise. Da es keinen anderen Weg auf dem Gunung Api gibt, der den besten Blick auf die Kalksteinfelsen ermöglicht, muss man die anstrengende und teilweise gar nicht so ungefährliche Wanderung in Kauf nehmen. Doch wer halbwegs fit und abenteuerdurstig ist, dem kann ich den Ausflug zu den Pinnacles nur empfehlen. 

Ihr möchtet auch nach Borneo?


Einen Routenvorschlag für eine dreiwöchige Borneo-Rundreise für Backpacker findet ihr hier. Für die Planung eurer Borneo Reise empfehle ich euch den Bradt Travel Guide für Borneo.

Bilder: © Doreen Schollmeier

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2 Comments

  • Reply Renate 24. Juli 2015 at 9:51

    Liebe Isolde,
    dieser Bericht über deine Wanderung klingt sehr spannend und mutig. Da muss man schon recht fit sein, um dies zu machen. Was für ein Abenteuer! So schnell kommst du nicht in so abgelegene Gegenden. Ich liebe den Regenwald und seine Geräusche und Bilder. Für solche Wanderexpeditionen bin ich dann doch nicht fit genug. Das Lesen und Schauen (im Fernsehen z.B.) entschädigt mich aber ein bisschen.

    Lieben Gruß
    Renate

    • Reply IsoldeMaReisen 24. Juli 2015 at 11:55

      Hallo Renate,

      vielen Dank für dein Kommentar. Es war schon sehr anstrengend und ich hatte noch 3 Tage später Schmerzen und Muskelkater. Sicherlich gibt es, auch in Borneos Regenwäldern, einige andere Touren, die man gut und gern auch mit „etwas weniger Kondition“ mitmachen kann. Beispielsweise der Bako Nationalpark – dort gibt es verschiedene Routen, von leicht bis schwer und man trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Nasenaffen. Oder aber man unternimmt eine Flusssafari auf dem Kinabatangan. Von dort aus habe ich Orang Utans, Nasenaffen und vieles mehr gesehen.

      Viele Grüße,
      Isolde MaReisen

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