Indien

Kamelsafari in der Wüste Thar

3. November 2014
Auf dem Kamel durch die Wüste Thar

Der Geruch von Kamel weht mit um die Nase, als ich aufwache. Mein Mund ist trocken und zwischen meinen Zähnen knirscht der Sand. Die Sonne brennt bereits in diesen frühen Morgenstunden unerträglich auf meiner Haut und die Fliegen schwirren um mein Gesicht. Die Nacht in der Wüste war erstaunlich kalt gewesen und das Geheule des Wüstenluchs befremdlich. Ich schaue nach links und nach rechts. Auch meine Begleiter erwachen so langsam aus ihren Schlaf und blinzeln der Sonne entgegen. Neben Antoine, meinem französischen Reisegefährten, hat sich doch tatsächlich ein Wüstenluchs niedergelassen, sichtlich erfreut über die warme Decke und die Aussicht auf etwas Essen. Als Antoine den Wüstenluchs entdeckt, beginnt er zu schreien und erschrickt das arme Tier, dass das Weite sucht und nie mehr gesehen wart. Links neben mir liegt Thilo, mein Mitbewohner aus Deutschland. Ihm war es in der Nacht wohl unerwartet etwas kalt geworden, weshalb er sich eine Kameldecke ertastet und sich damit provisorisch zugedeckt hatte. Die Decke riecht fürchterlich nach Kamel, und gleiches gilt auch für Thilo. Leider ist die nächste Dusche, der nächste See, der nächste Wasserhahn oder die nächste Oase kilometerweit entfernt, denn wir befinden uns auf einer Kamelsafari in der Wüste Thar, der großen Wüste Indiens…

In der Wüstenstadt Jaisalmer (Reisbericht Jaisalmer folgt in Kürze) im indischen Bundesstaat Rajasthan hatten wir uns einen Kamelbetreiber und 6 Kamele organisiert, um eine Safari quer durch das 273.000 km² große Wüstengebiet zu unternehmen. Zudem hatten wir uns noch geeignete Wüstenkleidung in der Stadt erstanden, bestehend aus leichten Leinenhosen, Kurtas und Kopftüchern. Anschließend wurden wir mit einem Jeep an den Rand der Wüste Thar gefahren, wo der Kameltreiber mit seinem sechsjährigen Sohn und den 6 Kamelen bereits auf uns wartete.

Mir wurde das Kamel Gogi zugewiesen. Schon ordentlich ramponiert mit zahlreichen Narben, ausgefallenen Fellbüschen und einem äußerst strengen Geruch war Gogi wohl schon ein etwas älteres Semester und wurde mir als Kamel-Opa verkauft. Wir halfen den Kameltreiber beim Befestigen der Decken, Töpfe und Getränke an den Kamelen und sattelten auf. Zum Glück kippte keiner von uns nach vorne über, als die Kamele gewohnt mit den Hinterbeinen zuerst aufstanden. So wackelten wir also los, in einer Reihe aus 6 Kamelen, in die unendlich wirkende Sandlandschaft der Wüste Thar. Zu Beginn durchquerten wir noch ein kleines Dorf am Rande der Wüste, danach stießen wir auf keinerlei Zivilisation mehr. Unser Kameltreiber berichtete uns von seinem Leben in der Wüste und den hiesigen Naturgesetzen. Sein Vater war Kameltreiber, genauso wie sein Großvater und sein Urgroßvater. Und auch sein Sohn solle die Kamele einst übernehmen. Er war sehr stolz auf seinen Sohn, den er mittlerweile in regelmäßigen Abständen mit auf die Safaris nahm, damit er von den Touristen etwas Englisch lernte.

Im Laufe des Tages wurde es immer heißer und die Sonne prasselte auf uns hinab. Jeder auch nur leichte Wind war eine Wohltat. Hin und wieder hielten wir an, um die Kamele zu füttern oder uns die Beine zu vertreten. Entgegen unseren Erwartungen war eine Kamelsafari nicht so romantisch und lässig, wie wir uns das vorgestellt hatten. Breitbeinig wie ein Cowboy wankten wir durch den Wüstensand und die ersten von uns entdeckten aufgescheuerte, teilweise sogar blutige Stellen am Hintern und am Oberschenkel. Jeder erneute Aufstieg auf unsere Kamele wurde zu einer Qual, und deshalb waren wir umso glücklicher, als unser Kameltreiber uns dazu aufforderte unser Nachtlager aufzuschlagen. Während wir unsere Decken ausrollten und das Lagerfeuer entzündeten, wurde es schlagartig dunkel. In der Ferne konnten wir ein Gewitter mit dunklen Wolken und Blitzen beobachten, welches wohl über die westlichen Ausläufer der Wüste Thar zog. Gemeinsam  mit unserem Kameltreiber und seinem Sohne bereiteten wir uns eine Kanne Chai und ein leckeres Gemüsecurry sowie etwas Roti über dem offenen Feuer zu. Hier und da knirschte der Sand beim Essen zwischen den Zähnen. Um Wasser zu sparen reinigten wir unsere Teller und den Topf lediglich mit Sand, eine gängige Reinigungs-Methode, welche ich auch in indischen Städten häufig antraf. Später beschlossen wir gemeinsam eine Nachtwanderung durch die Wüste zu machen, wo wir auf einen Wüstenluchs, die Spuren von Schlange und ein paar andere Wüstenbewohner trafen. Noch nie in meinem Leben habe ich so einen klaren, mit Sternen übersäten Nachthimmel gesehen wie in der Wüste Thar. Es war unbeschreiblich schön!

Anmerkungen:
So romantisch die Vorstellung einer Kamelsafari in der Wüste auch klingen mag, für uns war es mit viel Schmerzen und Sonnenbrand verbunden. Die monotone Auf- und Ab-Bewegung gepaart mit dem Wüstensand, der es wahrhaftig überall hin schafft, sorgen für allerlei Reibung bis hin zu blutigen Wunden. Zudem setzten uns die Hitze und die direkte Sonneneinstrahlung ordentlich zu. Dennoch kann ich jedem (nicht so zimperlichen) Indien-Reisenden eine zweitägige Kamelsafari in der Wüste Thar nur wärmstens empfehlen. Dabei sollte folgendes beachtet werden:

  • Sonnenbrille und Kopfbedeckung sind ein Muss! Der nächste Schatten oder das nächste Krankenhaus zur Behandlung eines Hitzeschlags sind weit.
  • Lange Kleidung aus Leinenstoff tragen! Diese eignen sich am besten, um sich gegen Sonne, Sand und borstige Kamelhaare zu schützen (zumindest etwas).
  • Ein Tipp speziell für Frauen!  Bei einer Kamelsafari geht es deutlich wackeliger und sportlicher zu als man annimmt. Ich empfehle das Tragen eines Sport-BHs 🙂
  • Ausreichend Wasser einpacken! Unterwegs gibt es keinen Kiosk und auch die Oasen sind selten und teilweise fast schon ausgetrocknet.
  • Skiunterwäsche für die Nacht! Jaja, Skiunterwäsche in der Wüste, das klingt befremdlich. Aber glaubt mir, ihr werdet mir für den Tipp danken wenn die Temperaturen in der Wüste  nach Sonnenuntergang rapide abfallen.
  • Der richtige Soundtrack! Für das perfekte Wüstenfeeling sorgt der Song „Horse with noname“ von America. Unbedingt vorher anhören oder am besten auswendig lernen!

Gallerie Wüste Thar

Ich habe meine Reise in die Wüste Thar mit dem Stefan Loose Reiseführer für Indien, Der Norden geplant.

Bilder:  © Doreen Schollmeier

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