Indien

Rishikesh: Yoga, Reisfelder und Abenteuer

7. Dezember 2014
Blick auf die Reisterrassen

Es ist bereits dunkel und das quirlige indische Leben hat die Straßen der Stadt bereits verlassen, als wir in Rishikesh ankommen. 23 Stunden hat es benötigt, um von meiner indischen Wahlheimat Vadodara hierher zu reisen. Es war ein beschwerlicher Weg…

Um 17:00 Uhr hatten wir, für indische Verhältnisse unerwartet pünktlich, den Zug von der Vadodara Junction nach New Delhi genommen. In der Holzklasse des „Sleeper“ Wagons waren wir die ganze Nacht und den darauf folgenden Vormittag quer durch Indien gefahren. „Sleeper“ in der Holzklasse bedeutet in Indien, dass man tagsüber in einem Abteil zu sechst (+ X) auf zwei gegenüberliegenden Bänken sitzt, während die eigenen Knie an denen des gegenüberliegenden Mitfahrers reiben. Sobald es dunkel wird, werden zwei über der Sitzbank befestigte Pritschen heruntergeklappt und an einem Stahlseil befestigt. Die zwei ausgeklappten Pritschen sowie die Bank, die tagsüber 3 Menschen als Sitzgelegenheit dient, fungieren nachts als Schlafgemach. In einem Abteil liegen jeweils drei Menschen übereinander und nach oben hat man gerade einmal eine halbe Armlänge Platz. Zudem sind die Liegen reichlich kurz, so dass meine Füße generell in den Gang geragt haben.

Nach einer 15-stündigen Zugfahrt erreichten wir am Folgetag New Delhi. Hier angekommen mussten wir zunächst den Bahnhof wechseln und gelangten mit dem Taxi zur Janshtbdi Station, von wo aus wir den Zug nach Haridwar nahmen. Die 4-stündige Zugfahrt von Delhi nach Haridwar war eine der prägendsten während meines Indienaufenthaltes, denn wir landeten inmitten einer hinduistischen Prozession zu Ehren des Gottes Ganesha. Kaum war der Zug aus dem Bahnhof in New Delhi gerollt, stimmten unsere indischen Mitfahrer religiöse Gesänge ein, entblößten ihre Kleinkind-großen Ganesha Figuren und entzündeten Kerzen, Öllampen und Kelche. Offenes Feuer im Zugabteil – Indien macht’s möglich! Auch wir vier Mädels wurden schnell Teil der Feierlichkeiten. Kurzerhand wurden uns Trommeln und Klanghölzer in die Hand gedrückt, um den Indern den Takt für ihre Gesänge vorzugeben. (Sie waren sehr höflich und taten so, als würden wir den Takt treffen…)

An der Haridwar Junction angekommen, setzte bereits die Dämmerung ein. Auf dem Busbahnhof von Haridwar fragten wir uns nach einem Bus nach Rishikesh durch. Natürlich (!) konnte hier keiner Englisch, und natürlich (!) wurde die Suche nach dem richtigen Bus erneut ein schwieriges Unterfangen. Es dauerte schließlich über zwei Stunden, bis wir im gerade einmal 25 km entfernten Rishikesh ankamen. Über die berühmte Lakshman Jhula Brücke überquerten wir den Ganges und erreichen das Stadtzentrum von Rishikesh. Wir nahmen uns zu viert ein Zimmer in einem der hiesigen Ashrams. Die nächsten Tage füllten wir mit Yoga und Abenteuern.

Wo der Ganges noch sauber ist…

Rishikesh liegt im indischen Bundesstaat Uttarakanth und ist ein beliebter Knotenpunkt für Hindus auf ihrer Pilgerreise nach Badrinath oder Gangotri sowie für Expeditionen ins Himalaya-Gebirge. Rishikesh ist aber auch jener Ort in Indien, wo der gewaltige Fluss Ganges das Himalaya und das Garhwal-Gebirge verlässt und sich seinen langen Weg durch Nordindien bis zum Golf von Bangalen bahnt. Der Ganges, der heilige Fluss, ist sicherlich jedem ein Begriff. In Indien wird der Ganges verehrt und angeblich trägt er heiliges Wasser, indem sich die Hindus in Form von morgendlichen Waschungen säubern, aber auch ihre Wäsche reinigen oder ihre Toten verbrennen. Generell wird man den Ganges in Indien als riesigen, braunen und verunreinigten, teilweise leicht unangenehm riechenden, Fluss erleben. Kaum vorstellbar, dass die Hindus sogar das Wasser des Ganges trinken. In Rishikesh hingegen ist der Ganges noch klar und sauber. Er bahnt sich seinen Weg durch die wunderschöne Bergwelt und das idyllische Rishikesh.

Yoga-Hauptstadt und New-Age Szene

Ohne Zweifel gilt Rishikesh als das indische Zentrum für Yoga und New-Age Praktiken. Die Stadt besitzt unzählige alte und neue Ashrams, in denen sowohl Inder als auch westliche Touristen Yoga praktizieren und ihre innere Ruhe finden. Ashrams, das sind Klosterähnliche Meditationszentren, die meist unter der spirituellen Leitung eines Gurus und den dazugehörigen Yogis stehen. Zweitere sind für die Kurse, Vorträge und organisatorische Abläufe im Ashram zuständig. Auch wir mieteten uns für mehrere Tage in einen Ashram ein. Früh, sehr früh, eigentlich viel zu früh, wurden wir zum Morgenyoga geweckt. Noch halbschlafend heizte uns unser Yogi ordentlich ein. Yoga heißt nicht nur Dehnen und Verdrehen, Yoga ist ein anstrengender Sport! Und jeder, der jetzt an seinem Bildschirm klebt und höhnisch lächelt, darf gern mal eine Stunde Yoga mit mir praktizieren. Danach reden wir noch einmal…

Nach unserer ersten, zweistündigen Morgen-Yoga Session sind wir vier total verschwitzt und kaputt. „Als nächstes steht ein Bad im Ganges an!“ verkündet uns unser Yogi. Die Hindus glauben, dass eine Meditation in Rishikesh, gepaart mit einem Bad im heiligen Fluss, einen näher zur Erlösung führt. Kurzerhand folgen wir unserem Yogi zum Ghat des Ashrams, einer Steintreppe, die zum Wasser führt. Wir fassen uns an den Händen, nehmen Anlauf und springen gemeinsam und in voller Montur in den Ganges. Ein beißender Schmerz im Kopf durchzieht meinen Körper, das Wasser des Ganges ist eiskalt. Rishikesh ist der perfekte Ort, um einmal im heiligen Ganges zu baden, denn das Wasser ist hier noch sauber und klar. Man sollte jedoch Vorsicht walten lassen, denn kurz nach der Regenzeit gleicht der Ganges rund um Rishikesh eher einem reißenden Strom.

In unserem Ashram werden auch andere Yoga-Arten wie Lach-Yoga oder Mediationskurse angeboten. Zudem finden regelmäßig Zeremonien, Gesangsstunden und Gruppengebete statt. Es gibt also genug Wege, um in Rishikesh seine innere Ruhe und die Erlösung zu finden. Kein Wunder, dass es bereits viele berühmte Persönlichkeiten wie die Beatles oder die Beach Boys einst nach Rishikesh zum Meditieren zog.

Zu den bekanntesten Ashrams in Rishikesh zählen der Swami Shivananda Ashram sowie der Swami Rama Ashram. Am besten kann man die gewaltige Angebote an Ashrams, Tempeln und allerlei Shops für Ayurveda und Heilpraktiken auf einem ausgedehnten Spaziergang zwischen der markanten Hängebrücke Lakshman Jhula und der Ram Jhula entdecken.

Rishikesh: Abenteuer und Natur

Rafting, Canyoning oder Trekking – Rishikesh hat mehr zu bieten als Yoga, Hippies und Ruhe. Zusammen mit einem Guide unternehmen wir Tageswanderungen in die umliegenden Länder von Rishikesh. Wir quälten uns Berge hinauf, besuchten Berg-Tempel, durchquerten idyllische Dörfer, in denen Wasserbüffel noch ihren eigenen Swimmingpool haben, und erfuhren mehr über den hiesigen Reisanbau in den wunderschön angelegten Reisterrassen. Wer plant in der Umgebung rund um Rishikesh wandern zu gehen, der sollte das bevorzugt mit einem staatlich anerkannten Guide machen. Rund um Rishikesh werden in regelmäßigen Abständen Felsensprengungen durchgeführt, sofern keine Wandergruppen offiziell angemeldet wurden. Dies kann einem zum Verhängnis werden, wenn man sich unangemeldet in einem Sprengungsgebiet befindet. Zudem gibt es kaum offizielle Wanderwege rund um Rishikesh und jene, die es gibt, sind meist schlecht bis gar nicht ausgeschildert. Auch sollte man eine gewisse Kondition und Sportlichkeit an den Tag legen. Eine meiner drei Mitreisenden konnte die Berge nicht bezwingen und musste vorzeitig von einem Bauer abtransportiert werden.

Weitere Informationen zu Rishikesh und Indiens Yoga-Ashrams findet ihr im Stefan Loose Reiseführer Indien, Der Norden.

Bilder: © Doreen Schollmeier

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